Schon 4 Wochen Isolation. Leben in 2 Welten. Endlich Zeit haben, ausschlafen, spazieren gehen. Sorgen noch und noch, wie geht es weiter, schaffen wir es? Die erste Welt ist die schönere… also erzähle ich heute vom «schwarzen Mann».

Der Spaziergang zum «schwarzen Mann» ist einer meiner Lieblingswege. Eigentlich unspektakulär, aber niemand, den ich je mitgenommen habe, konnte sich seiner magischen Wirkung entziehen. Der Weg führt in einen Graben zu einem Bach und von dort, durch den Wald auf eine kleine Voralp mit einem schönen alten Maiensäss mit altem Obstgarten. Daneben befindet sich ein kleines Haus, in dem der «schwarze Mann» seine Sommer verbrachte. Es handelte sich um einen Junggesellen, der eine spezielle Hautpigmentierung hatte. Tausende schwarzer Flecken bedeckten seinen Körper, den er deswegen auch der Wissenschaft vermacht hatte. Er war immer sehr freundlich, wenn sein ungewöhnliches Aussehen uns Kinder auch immer wieder erschaudern liess. Der arme Mann ist schon lange gestorben und sein Häuschen steht bis heute immer noch leer. Der Makel des Unheimlichen ist wohl schwer zu tilgen. Der Weg bietet aber nicht nur Blumenpracht, wunderbare Düfte und schöne Aussicht. Im Vorfrühling, kurz nach der Schneeschmelze öffnet er den Vorhang über einer längst versunkenen Zeit.

Wenn der Schnee weg ist und das letztjährige Gras noch am Boden klebt, zeichnet sich an den Osthängen ein ganzes Netz von alten Wegen ab. Diese führen vorbei an verfallenen Stadeln und Speichern. Eine riesige Brunnenfassung ist noch ansatzweise zu erahnen, ebenso wie viele kleine Äcker, die terrassiert wie ein Schachbrettmuster die Hänge bedeckten. Nach zwei Wochen ist der Spuk vorbei. Frisches Gras verwischt die Spuren der Wege, die nur noch die Wildtiere finden, Weideblumen bedecken die Äckerchen mit einem duftenden Teppich und in den verfallenen Gebäuden blühen der Weissdorn und die Berberitzen. Je näher es dann dem Sommer zugeht, desto wilder wird die Landschaft, ein wahrer Urwald füllt den Graben und hüllt die Spuren vergangener Zivilisation gänzlich ein. Ein Durchkommen ist nicht mehr möglich. Über Jahrhunderte sind sie entstanden, in nicht einmal 50 Jahren sind sie verschwunden.

Wenn der Coronavirus uns ausrotten würde, würde es wohl auf der Welt in 50 Jahren auch so aussehen. Für 2 Wochen im Jahr würden unsere Spuren wieder auftauchen, als Mahnmal für wer auch immer nach uns kommen würde…

Ihre
Francisca Schmid



Falls Sie diesen Spaziergang auch gerne mal machen würden, kann Ihnen diese Karte als Anhaltspunkt dienen. Wege, die zum Ausgangspunkt der Wanderung führen, gibt es verschiedene. Ich berate Sie noch so gerne persönlich an unserer Reception wie Sie unsere schöne Region entdecken können.





Hoteldirektorin

Francisca Schmid

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