«Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen». Dieser Spruch von Seneca, sollte der Menschheit auch nach den Coronazeiten, im Gedächtnis eingebrannt bleiben.
Es war Montag und ich sass an der Reception als die Meldung kam, dass am Abend ab 18:00 im Wallis alle touristischen Tätigkeiten eingestellt würden. Nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Ärzte dürften noch arbeiten. Wir hatten damit gerechnet, obwohl man es sich fast nicht vorstellen konnte. Aber jetzt wo es Gewissheit war…. Nur kühlen Kopf bewahren! Gleich alle Reservationen für die nächsten Wochen stornieren, Geld zurück überweisen, es ratterte im Hirn, Aktivismus pur um den Schock zu überwinden.

Dann um 16 Uhr pfiff der Bundesrat das Wallis zurück. Hotels sollten offen bleiben. Wie sollte das gehen? Hotel offen, Restaurant, Thermalbad, SPA aber zu, genau gleich wie die Skigebiete. Chaos total. Unsere Stornierungen kreuzten sich mit den Annullierungen der Gäste. 2 Tage später waren unsere Reservationsbücher leer. Mit jedem Tag, der verging, wurden die Gesichter unserer Mitarbeiter ängstlicher und für meinen Mann und mich wurden die Nächte zur Qual. Noch nie in den vielen Jahren unserer Geschäftstätigkeit hatten wir so etwas erlebt. Und dabei gab es viele Krisen. Kriege im Nahen Osten, Immobilien- und Finanzkrise und zuletzt der Frankenschock, über 50 Jahre Achterbahn.

Und doch, obwohl alles viel schlimmer war als wir es je erlebt hatten, lag gerade darin mein Trost. Bis jetzt waren in allen Krisen nur immer gewisse Teile der Schweizer Wirtschaft betroffen. Dass der Tourismus immer dazu gehörte war wohl System immanent… .Genauso wie es klar war, dass wir vom Staat nie Hilfe bekamen. Jetzt aber waren wir alle gleich und siehe da, die Hilfe kam, zwar anfangs noch zögerlich, aber doch nach und nach. Und wie immer liegt der Teufel im Detail.

Nehmen wir zum Beispiel das Antragsformular für die Kurzarbeit. Bei dessen Gestaltung hat sich der Staat wohl überlegt, dass er die Arbeitgeber, wenn er sie damit denn so richtig geistig fordere, davon abhalten könnte, Trübsal zu blasen. Auf alle Fälle waren wir tagelang damit beschäftigt die Fragen richtig zu deuten. Und dann gab es da noch den Pferdefuss, dass wir wohl keinen einzigen Gast mehr hatten, aber unser Hotel nicht vom Staat geschlossen wurde, nur das Solebad, das SPA und das Restaurant… Damit konnte ich mich als selbständige Unternehmerin selbst nicht für den COVID Erwerbsausfall anmelden. Und so ging es weiter.

Während mein Mann als Präsident der Walliser Hoteliers in die Taskforce des Kantons Wallis berufen worden war, bereitete ich mit unserem Team das Hotel auf einen Dornröschenschlaf vor. Die Nerven lagen blank. Meine Grenzgänger aus Italien hatten jeden Tag Angst, sie dürften nicht mehr einreisen. Die Lage in der Lombardei war dramatisch und obwohl das Ossolatal keinen einzigen Coronafall zu verzeichnen hatte, waren auch sie von den harten Massnahmen betroffen. Die Arbeit in der Schweiz war wie eine Befreiung, ein kleines Stück Normalität, obwohl der Schein trügte. Unsere Portugiesen hingen jede freie Minute am Skype Telefon mit ihren Lieben in der Ferne und als dann alle Grenzen zugingen, war jede Hoffnung auf einen Ausweg vertan. Und dann, als jedes Zimmer geputzt, das letzte Leintuch gewaschen und gebügelt, alle Räume blitz blank, der Thermal- und SPA Bereich geschrubbt und desinfiziert waren, plötzlich der Schock, die Leere. Abschied, «wir bleiben in Kontakt, Ihr hört von uns, meldet Euch, wenn Ihr Probleme habt» und dann nichts mehr. Nur Stille.

Ihre
Francisca Schmid



Hoteldirektorin

Francisca Schmid

Hoteldirektorin